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Whistleblowing in globalen Lieferketten

19. Oktober 2023

Die Anforderungen der Europäischen Lieferketten-Richtlinie

Whistleblowing in der Lieferkette wird auch in Europa immer mehr zu einem Thema. Bisher war für europäische Unternehmen ein Hinweisgeber-System, über das auch Dritte Missstände melden können, nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Mit der Umsetzung der Europäische Lieferketten-Richtlinie (EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (engl. Corporate Sustainability Due Diligence Directive) ändert sich dies aber. Die Richtlinie schreibt nämlich für die meisten EU-Unternehmen solche Meldemechanismen für die gesamten Lieferkette vor. Dies ist zwar ermutigend, bringt aber auch einige Herausforderungen mit sich.

Wie findet man ein Meldesystem, das für alle funktioniert?

Nur schon die Wahl des richtigen Meldesystems für Ihre Organisation ist kein einfaches Unterfangen. Neben der Organisationskultur und den Kapazitäten spielen auch Ihre Mitarbeiter*innen eine Rolle: Ein Instrument ist nämlich nutzlos, wenn Ihre Belegschaft es nicht akzeptiert und offen nutzt. Die Herausforderung wird noch größer, wenn auch die Lieferanten in die Gleichung mit einbezogen werden.

Bei der Wahl eines Tools für ihre eigenen Mitarbeiter*innen werden Sie wahrscheinlich Faktoren wie die Unternehmenskultur, die Ressourcen sowie die demografischen Merkmale, Bedürfnisse und Vorlieben Ihres Personas berücksichtigen. Die Frage ist aber, welche Faktoren eine Rolle spielen, wenn das Tool auch von Dritten genutzt werden soll – von Menschen, die Ihnen völlig fremd sind. Denn der Lieferant des Lieferanten Ihres Lieferanten befindet sich möglicherweise in einer völlig anderen Region der Welt. Und seine Mitarbeiter*innen sprechen wahrscheinlich nicht dieselbe Sprache wie Ihr Compliance-Team und haben wenig – bis gar nichts – mit Ihrer eigenen Belegschaft gemeinsam.

Die Frage lautet also, wie sich eine fundierte Entscheidung für ein Hinweisgeber-Tool treffen lässt, das gewährleistet, dass sich alle, die von Ihren Tätigkeiten betroffen sind, bei Bedarf äußern.

Die Hauptaspekte von Whistleblowing

Die genauen Dimensionen Ihrer Lieferkette zu bestimmen, wäre kein realistisches Vorhaben. Eher sollten Sie Richtlinien festlegen und Lösungen implementieren, die Ihnen helfen, potenzielle Verstöße zu erkennen und mit Ihnen umzugehen – unabhängig davon, wo in Ihrer Lieferkette sie sich ereignen. Zugegeben: Die Distanz zwischen Ihrem Unternehmen und dem Vorfall macht dies zu einem nur schwer lösbaren Problem. Indem Sie sich aber auf einige Hauptaspekte von Whistleblowing konzentrieren, können Sie diese Kluft verringern.

Die im Folgenden behandelten Themen beschränken sich nicht auf Whistleblowing in der Lieferkette. Im Gegenteil: in unseren Augen sind sie grundlegend für die effektive Meldung von Fehlverhalten. Die Europäische Lieferketten-Richtlinie bietet allerdings eine hervorragende Gelegenheit, diese Themen wieder ins Rampenlicht zu rücken.

Fokus auf Hinweisgeber*innen und Fall-Bearbeiter*innen

Ähnlich wie bei der herkömmlichen Meldung von Fehlverhalten in Organisationen sind auch beim Whistleblowing in der Lieferkette zwei Benutzer-Gruppen zu berücksichtigen: einerseits die Hinweisgeber*innen, andererseits die Personen, die die gemeldeten Fälle bearbeiten.

Beginnen wir zunächst mit den Hinweisgeber*innen. Gemäß der Europäischen Lieferketten-Richtlinie können alle Stakeholder in Ihrer Lieferkette als Hinweisgeber*innen auftreten. Und Je breiter die potenzielle Nutzerbasis, desto grösser der der Bedarf nach einem Tool, das sich den Bedürfnissen einer größeren Anzahl Nutzer *innen anpassen lässt.

Erstatten von Meldungen

1. Sprachabdeckung

Der erste und vielleicht offensichtlichste Punkt ist die Sprache. Da sich die Standorte Ihre Lieferkette überall auf der Welt befinden können, sollte Ihnen das Meldetool die Möglichkeit bieten, Meldungen in so vielen Sprachen, wie möglich zu empfangen. Ein Meldetool mit einer begrenzte Sprachabdeckung ist deshalb eher ungeeignet.


2. Zugänglichkeit

Ein einfaches Webformular oder eine moderne mobile App können zwar intern gut funktionieren, sind für Ihre gesamte Lieferkette aber wahrscheinlich keine effiziente Lösung. Denn nicht alle Menschen haben Zugang zu einem Mobiltelefon, einem Computer oder überhaupt dem Internet. Stellen Sie sicher, dass das von Ihnen gewählte Tool sowohl mit, als auch ohne Internetverbindung genutzt werden kann.

Telefonische Meldungen spielen aus diesem Grund nach wie vor eine wichtige Rolle. Vermeiden Sie jedoch den Einsatz veralteter Hotlines und von Callcentern, die hohen Hürden für Hinweisgeber*innen schaffen. Wird über eine Hotline Meldung erstattet, sind Übersetzungsschwierigkeiten nicht das einzige vorprogrammierte Problem. Es besteht auch die Gefahr, dass potenzielle Hinweisgeber*innen ihr Vorhaben nicht umsetzen, wenn sie sich einer fremden Person in einem Callcenter anvertrauen müssen

Anstelle einer Hotline empfiehlt sich deshalb ein anonymes automatisches Telefonsystem mit Sprachaufzeichnung. Damit können die Menschen ihre Bedenken einfach und sicher melden, wenn sie es für richtig halten. Vergewissern Sie sich jedoch, dass die Reichweite Ihres Telekom-Anbieters groß genug ist, damit auch die entlegensten Partner in Ihrer Lieferkette Sie telefonisch erreichen können.

3. Flexibilität

Auch die Flexibilität des Meldewegs ist auch für das Whistleblowing in der Lieferkette entscheidend. Um sich mit einem externen Anliegen an einem weit entfernten Schauplatz zu befassen, benötigen Sie möglicherweise mehr Informationen, als wenn es um eine betriebsinterne Meldung geht. Zur Beschaffung dieser Informationen ist ein anpassungsfähiges Hinweisgeber-System notwendig.

Standardisierte, umfangreiche Fragebögen beispielsweise sind eher ungeeignet. Denn nicht alle Fragen sind für alle Hinweisgeber*innen gleich relevant. Es empfiehlt sich, ein Meldetool zu wählen, mit dem Sie die benötigten Informationen sammeln können, ohne Hinweisgeber*innen abzuschrecken. 

4. Anonymität

Die Wahrung der Anonymität von Hinweisgeber*innen ist von entscheidender Bedeutung. Wählen Sie eine Lösung, die anonyme Meldungen ermöglicht, ohne die damit verbundenen Risiken außer Acht zu lassen. Lesen Sie hier mehr über den optimalen Umgang mit Anonymität.

 Es liegt in der Natur der Sache, dass ein erweiterter Einsatzbereich auch zu einem erhöhten Meldungs-Eingang führt. Damit die Integrität Ihres Hinweisgeber-Systems gewährleistet ist, sind deshalb leistungsfähigere Funktionen für die Fallbearbeitung notwendig. Die folgenden Punkte sind wesentlich, wenn es darum geht, Menschen in Ihrer Lieferkette zu erreichen.

 

Fallbearbeitung

 

1. Übersetzung von Meldungen

Die Möglichkeit, Meldungen in mehreren Sprachen zu empfangen, bringt Ihnen wenig, wenn Sie deren Inhalt nicht verstehen. Deshalb ist es absolut notwendig, dass Ihr Meldetool eine qualitative Bearbeitung von Meldungen erlaubt. Die leistungsfähigste anonyme Kommunikationsplattform ist diejenige, die sowohl eine qualitative Transkription als auch die Übersetzung von Meldungen bietet, da Sie damit die besten Chancen haben, einen effektiven Dialog mit Hinweisgeber*innen zu führen.

Technologie entwickelt sich ständig weiter und automatische (maschinelle) Transkriptionen und Übersetzungen haben mittlerweile ein hohes Niveau. Tatsache ist jedoch, dass sich die unterschiedlichen Hintergründe von Menschen auch in ihren Kommunikationsfähigkeiten widerspiegeln. Und bei derart sensiblen Themen, wie unethischem Verhalten, ist es absolut entscheidend, dass der Inhalt von Meldungen unverfälscht bleibt. Es empfiehlt sich deshalb, ein Hinweisgeber-System zu wählen, in dem die maschinelle Übersetzung bei Bedarf durch qualitative, menschliche Übersetzungen ergänzt wird.

Eine solche Verarbeitung von Meldungen muss allerdings im Einklang mit den geltenden Vorschriften erfolgen. Das heißt: Transkription und Übersetzung müssen konform mit der DSGVO sein.

2. Fallmanagement

Ein wichtiger Faktor für eine bessere Dialog-Qualität ist auch das Fallmanagement. Um den Überblick zu behalten, eignet sich ein Meldetool am besten, in dem alles, was Sie brauchen, in einem einzigen Bereich zusammengefasst ist. Ihr Tool sollte Ihnen einen einfachen globalen Überblick über alle Ihre internen und externen Kanäle bieten.

Auch empfiehlt sich die Wahl einer Lösung, in der Sie je nach Bedarf Teams für die Bearbeitung von Fällen bilden und managen können. Die Lösung sollte zudem erkennen können, ob ein Fall wirklich von einer Person in Ihrer Lieferkette stammt. Darüber hinaus sollte es möglich sein, spezifische Fälle jeweils den Personen zuzuweisen, die sie am besten bearbeiten können.

Weiter sollte Ihr Hinweisgeber-System für die Lieferkette über einfache Zugriffskontrollen verfügen. Es ist wichtig, dass Sie immer den Überblick darüber haben, welches Team Zugriff auf welche Daten hat, damit reibungslose und effektive Arbeitsabläufe gewährleistet sind.

 

 

3. Meldung und Risikomanagement

Ähnlich wie andere aktuelle Initiativen im Bereich Sorgfaltspflicht verlangt die Europäische Lieferketten-Richtlinie von Unternehmen, dass sie die Effektivität ihrer Due Diligence-Bemühungen messen und öffentlich machen. Zwar ist noch wenig bekannt über die genauen Anforderungen an die öffentliche Berichterstattung. Andere EU-Vorschriften machen jedoch bestimmte Überlegungen notwendig.

So schreibt die EU-Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (die bald durch eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ersetzt wird) vor, dass große Unternehmen unter anderem Informationen über ökologische und soziale Belange, den Umgang mit Mitarbeiter*innen, die Beachtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption in Ihrem Betrieb veröffentlichen. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, ein Meldetool anzuschaffen, das eine einfache Daten-Visualisierung erlaubt. Vergewissern Sie sich zudem, dass Sie die Systemdaten bei Bedarf filtern und extrahieren können.

Die Einbeziehung der Lieferkette in Ihr Hinweisgeber-System erweitert zudem die Anforderungen an das Risikomanagement. Stellen Sie deshalb sicher, dass die Daten der gewählten Lösung sich auch für Ihre Risikomanagement-Tools eignen.

4. Kommunikation mit Dritten

Neben den erwähnten Anforderungen sollten Sie das Thema Kommunikation nicht vergessen. Ein Instrument zur Meldung von Missständen mag noch so effektiv sein: wenn niemand davon weiß, wird auch niemand es benutzen. Deshalb sollten Sie darüber nachdenken, wie Sie Menschen weltweit erreichen können. Es gilt, eine Lösung zu finden, die es allen Beteiligten in Ihrer Lieferkette gleichermaßen leicht macht, sich über das Meldeverfahren zu informieren, es zu verstehen und schließlich Meldung zu erstatten.

Um dieses Ziel zu erreichen, wählen Sie am besten einen Anbieter, der Erfahrung mit großen multinationalen Unternehmen hat. Große Konzerne haben sich in der Regel bereits mit den Herausforderungen eines globalisierten Hinweisgeber-System auseinandergesetzt und diese gemeistert. Indem Sie von den Erfahrungen anderer Unternehmen profitieren, können Sie rasch zahlreiche wertvolle Erkenntnisse gewinnen.

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